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Das Schattenkreuz an der Jungfrau
Damit das Schattenkreuz entstehen kann, muss die Sonne unter einem Höhenwinkel von etwa 3° erscheinen und einen Azimutwinkel von 75°
aufweisen. Diese Kombination der beiden Winkel ist zum einen im Herbst, anfangs Oktober gegen 18.20h vorhanden, zum anderen ende Februar etwa gegen
17.30h (Winterzeit).
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Einführung / Motivation
Was hat mich dazu bewegt, einem Schattenkreuz in der Jungfrau diese Arbeit zu widmen?
Auf die Idee über dieses Naturphänomen meine Maturarbeit zu schreiben kam ich erstmals, als wir im Herbst 05 an einem schönen
Sonntagabend einen Familienspaziergang machten. Eiger, Mönch und Jungfrau strahlten im Abendrot und dabei war in der Jungfrau ein Schattenwurf
zu erkennen der mich sehr stark an ein Kreuz erinnerte. Bei mir kam nun die Frage auf, warum dieses Schattenkreuz entsteht und wieso es im Herbst
beziehungsweise im Frühling besonders ausgeprägt ist.
Was mich zusätzlich bewegt hat dieses Thema zu wählen, ist die Tatsache, dass es darüber praktisch keine Literatur gibt. Daraus folgt,
dass die Grundlagen dafür selbst erarbeitet werden müssen. Dies entspricht auch dem Grundgedanken einer Maturarbeit, die das Kennen lernen
des wissenschaftlichen Arbeitens wie auch die Förderung der Selbstständigkeit zum Ziele hat.
Es ist mir bewusst, dass dies nicht gerade ein einfaches Thema ist, aber ich will mich dieser Herausforderung stellen.
Zielsetzung
Im folgenden Abschnitt sollen die Ziele dieser Arbeit erläutert werden.
Die primär zu beantwortende Frage ist:
Auf Grund welcher Gegebenheiten entsteht das Schattenkreuz in der Jungfrau?
Dabei soll die dortige Gebirgsform analysiert werden.
Jungfrau von der Lobhornhütte gesehen
Auch will ich die Abhängigkeit des Schattens vom Stand der Sonne darstellen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Die erste Möglichkeit ist, den Stand der Sonne für einen Zeitpunkt zu berechnen an dem das Schattenkreuz vorhanden ist, bzw. auf ein Foto
abgelichtet wurde. Für den gleichen Zeitpunkt kann der Stand der Sonne mit Hilfe eines senkrecht in den Boden gesteckten Stabes und dem sich
daraus ergebenden Schatten angegeben werden. Dies entspräche der experimentellen Kontrolle der Berechnungen.
Eine weitere Möglichkeit ist der Bau eines Modells der Jungfrau. Das Modell kann nun so auf die Sonne ausgerichtet werden, dass das
Schattenkreuz zu sehen ist.
Im optimalen Fall ergeben nun beide Methoden das gleiche Resultat bzw. die selben Winkel unter der die Sonne zu sehen sein muss. Ich bin darauf
gespannt.
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Abhängigkeit vom Stand der Sonne
Der erste wichtige Punkt von dem die Entstehung des Schattenkreuzes abhängig ist, ist der Stand der Sonne. Die Frage stellt sich nun, wie man
deren Position herausfinden kann.
Orientierung am Himmel
Bevor man den Stand der Sonne berechnen kann, müssen zuerst die dafür notwendigen Grundbegriffe erklärt werden. Zusätzlich
soll dieser Abschnitt als Einführung zur Orientierung am Himmel dienen.
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Die scheinbare Bewegung der Sonne
Für einen auf der Erde ruhenden Beobachter führt die Sonne am Himmelsgewölbe eine Bewegung von Osten nach Westen aus. Das
Himmelsgewölbe stellt man sich als unendlich grosse Kugel vor, deren Zentrum die Erde ist. Die Bewegung der Sonne entsteht durch die Drehung der
Erde um ihre eigene Achse. Verlängert man die Erdachse, so entstehen als Schnittpunkte mit der Himmelskugel der Himmelsnordpol PN und der
Himmelssüdpol PS. Sie sind die Zentren der scheinbaren Bewegung der Sonne. Die Verbindung PNPS heisst Himmelsachse.
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Zwischen Aufgang und Untergang erreicht die Sonne in Südrichtung ihre grösste Höhe über dem Horizont. Dies nennt man die
(obere) Kulmination der Sonne. Ihre kleinste Höhe unter dem Horizont erreicht sie in Nordrichtung, entsprechend der unteren Kulmination. Der
Grosskreis, der PN, PS sowie den Zenit Z, d.h. den Punkt senkrecht über dem Beobachtungsort verbindet heisst Meridian. Die Kulminationen sind
die Meridiandurchgänge der Sonne.
Um den Standort eines Objekts anzugeben, kann man verschiedene Koordinatensysteme verwenden. Im Folgenden möchte ich die zwei
gebräuchlichsten erläutern, nämlich das Horizont- und das Äquatorsystem.
Im Horizontsystem ...
... weiterführende Informationen zu den astronomischen Berechnungen siehe in der vollständigen Matura-Arbeit am Schluss dieser
Webseite.
Schlussendlich ergaben die Berechnungen für die Aufnahmezeit des untenstehenden Bildes einen Höhenwinkel von 3° und einen
Azimutwinkel von 75°. Der Azimutwinkel ist der Winkel zwischen Süden und dem Objekt.
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Eiger, Mönch und Jungfrau im Abendlicht
Aufnahme vom 10. Oktober 2003, 18:23 h
Geographische Gegebenheiten
Die zweite wichtige Einflussgrösse die zur Entstehung des Schattenkreuzes führt, sind die geographischen Gegebenheiten des
Jungfrau-Gebiets.
Ich überlegte mir, wie diese am Besten dargestellt werden könnten. Zum einen gibt es Landeskarten die dieses Gebiet darstellen, zum anderen
können zur Betrachtung auch Fotographien herangezogen werden. Doch beide Möglichkeiten besitzen einen gewichtigen Nachteil: Sie sind nur
zweidimensional. Die Lösung dieses Problems ist eine 3D-Darstellung. Also entschied ich mich ein Modell der Jungfrau zu bauen, damit ich die
dortige Gebirgsform darstellen und analysieren konnte.
Bau eines Modells der Jungfrau
Die Herstellung dieses Jungfrau-Modells hat das Ziel, dass ich dann mit einer Lichtquelle das Schattenkreuz erzeugen kann. Somit besteht die
Möglichkeit den zur Entstehung des Schattenkreuzes benötigten Stand der Sonne auf eine praktische Art und Weise herauszufinden.
Beim Bau eines solchen Reliefs stellt sich zuerst einmal die Frage, welche Dimensionen das Projekt annehmen soll. Bei einem grösseren Modell
beeinträchtigen kleine Unstimmigkeiten das Gesamtbild weniger als wenn das Modell in einem kleineren Massstab (z.B. 1:75'000) gebaut wird. Es
ist somit auch einfacher herzustellen, bzw. es gibt weniger Kleinstarbeiten. Auf der anderen Seite nimmt das Modell bei einem grösseren Massstab
(z.B. 1:2000) relativ schnell grosse Ausmasse an. Dies hat zur Folge, dass das Modell unhandlich wird und viel Platz zur Aufbewahrung benötigt.
Zudem sind auch die daraus zusätzlich entstehenden Materialkosten nicht zu unterschätzen.
Es muss also ein Kompromiss gefunden werden der die verschiedenen Punkte wie die Genauigkeit, die Handlichkeit sowie das
Kosten-Nutzen-Verhältnis angemessen berücksichtigt.
In einer ersten Phase rechnete ich aus, welche Grössen das Modell bei einem bestimmten Massstab annehmen würde. In Natura entspricht das
darzustellende Gebiet etwa einer Fläche von ca. 2 km x 2.8 km. Die südwestliche Eckkoordinate des Modells beträgt
638’150/153'970, jene der nordöstlichen Ecke 640’920/156'000 . Der Höhenunterschied des dargestellten Gebiets ist ca.
1’860m.
In der 26-seitigen Matura-Arbeit können Sie die genauen Masse / Berechnungen nachlesen.
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Übertragen der Höhenlinien auf das Modell
Das Aussägen mit dem Decoupiersägeli und das aufeinander Nageln der Platten mit Hilfe einer Pressluft-Nagelpistole.
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Das fertige Jungfrau-Modell
Experimente mit dem Modell
In diesem Abschnitt erläutere ich meine durchgeführten Versuche mit dem Modell der Jungfrau.
Zuerst stellte ich mir die Durchführung der Experimente so vor, dass ich eine Lichtquelle korrekt auf das Modell ausrichten würde. Als es
aber dann darum ging, was für eine Lichtquelle das sein sollte und wie die Experimente abzulaufen hätten, wurde mir die ganze Sache etwas
zu aufwändig. Schliesslich entschied ich mich, statt die Lichtquelle auszurichten, das Modell in die richtige Position zu stellen und als
Lichtquelle die Sonne zu benutzen. Dies hatte den Vorteil, dass es nicht extreme Halbschatten gab und die Messungen der Winkel relativ einfach
waren.
Die Ausrichtung des Modells bezogen auf die Himmelsrichtungen, bzw. auf den Azimut konnte ich durch einfaches Drehen bewerkstelligen.
Da die Sonne den grössten Teil des Tages zu hoch am Himmel steht, um das Schattenkreuz erscheinen zu lassen und ich nicht stets darauf warten
wollte, bis die Sonne unter dem richtigen Höhenwinkel stand, bastelte ich untenstehende Hilfskonstruktion um dem Modell die richtige Neigung
geben zu können.
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Experiment mit dem Jungfrau-Modell - 20. April 2006, 17:45h
Die Versuchsanordnung:
Rechts die senkrecht stehende Wasserwaage,
in der Mitte das ausgerichtete Modell
Als zusätzliches Experiment stellte ich die Wasserwaage senkrecht auf den Boden. Dadurch ergab sich ein Schattenwurf. Da die Länge des
Schattens (2.08m) und die Länge der Wasserwaage (1.00m) bekannt waren, lässt sich mit dem Tangens daraus der Höhenwinkel der Sonne
berechnen. Dieser betrug für jenen Moment 25.7°. Weitere interessante Berechnungsdetails finden Sie in der vollständigen
Matura-Arbeit.
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Der Winkel zwischen dem Schattwurf der Wasserwaage und der Ausrichtung des Modells beträgt 15°.
Gebirgsformen die das Schattenkreuz verursachen
Nun fehlt noch der Beweis, welche Gebirgsformen den Schatten verursachen. Diesen Beweis vollbrachte ich, in dem ich einen Grashalm, wie auf den
Bildern zu sehen ist, auf das Modell legte. Rot eingekreist ist der aus dem Grashalm entstandene Schatten. Blau eingekreist ist die Schatten
verursachende Kante. Im Fall der Abbildung links verursacht der auf 3695 m liegende flache Gipfelgrat des Silberhorns die obere horizontale Linie des
Kreuzes. Bei der rechten Abbildung ist der Grat blau eingekreist (die so genannte Lauperroute), der für die linke und rechte Begrenzung des
oberen Teils des Kreuzes verantwortlich ist.
Bild links: Der flache Gipfelgrat des Silberhorns verursacht die obere horizontale Linie des Kreuzes. Bild rechts: Die sogenannte
“Lauperroute“ ist für den oberen senkrechten Balken des Kreuzes verantwortlich.
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Jungfrau vom Elsighorn fotografiert
Schlussfolgerung, Zusammenfassung
Die obere horizontale Linie des Kreuzes wird vom auf 3695 m liegenden flachen Gipfelgrat des Silberhorns verursacht. Für die linke und rechte
Begrenzung des oberen Teil des Kreuzes ist die Felsrippe, wo die so genannte “Lauperroute“ darüber führt, verantwortlich.
Damit das Schattenkreuz entstehen kann, muss die Sonne unter einem Höhenwinkel von etwa 3° erscheinen und einen Azimutwinkel von 75°
aufweisen. Diese Kombination der beiden Winkel ist zum einen im Herbst, anfangs Oktober gegen 18.20h vorhanden, zum anderen ende Februar etwa gegen
17.30h (Winterzeit).
Literaturverzeichnis und Bildernachweis sehen Sie in der vollständigen Matura-Arbeit.
Beatenberg - Niederhorn (Hohseilseelein)
Foto von Fritz Bieri / 18:10 h
Hoch über dem Thunersee: Von hier können Sie das Schattenkreuz auf imposante Weise erleben. Eine Reise zum Thunersee - Beatenberg -
Niederhorngebiet lohnt sich bestimmt. Anmerkung von www.beatenbergbilder.ch
Blick von Beatenberg mit Teleobjektiv
Foto von Heinz Rieder / 18:11 h
Standort: Obere Matte, 3803 Beatenberg
David Lips, Maturand, Gymnasium Burgdorf
Herzlichen Dank an David Lips, dass er www.beatenbergbilder.ch ermöglichte, eine Zusammenfassung seiner sehr interessanten und umfangreichen
Matura-Arbeit hier zu veröffentlichen. David Lips hat uns erlaubt, eine pdf-Datei mit der vollständigen Matura-Arbeit anzubieten.
Anmerkung:
Alle © Rechte dieser Arbeit bleiben bei David Lips.
Die © Rechte dieser Spezial-Webseite bei www.beatenbergbilder.ch
Webseite / Bildbearbeitung: Heinz Rieder, www.beatenbergbilder.ch
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